Cross-Skating gehört zu den relativ leicht erlernbaren Sportarten. Das bedeutet nicht, dass die uns spezielle Bewegungen dieser Sportart in die Wiege gelegt wurden. Wer experimentierfreudig oder mutig ist tut … [Weiter lesen...] about Cross-Skating bei „Null“ anfangen
Gesichter des Cross-Skating VII – Interview mit Frank Röder über Sportlichkeit in der Szene
Ich veröffentliche hier ein inzwischen älteres Interview mit Frank Röder, dem wahrscheinlich bekanntesten Cross-Skater, so mein Eindruck nach Gesprächen mit Cross-Skatern in Irland, England, Frankreich, Belgien, Österreich und Polen. Das Thema des Interviews lautete, damals im Mai 2016, man beachte das Datum, Sportlichkeit. Der Inhalt ist immer noch hochaktuell und zeigt bereits deutlich die Ursachen für Probleme auf, die sich in der Cross-Skating Szene in den Jahren danach noch stärker ausgeprägt haben.
A.B.J.: Hallo Frank, lange nicht gesehen.
F.R.: Hallo Andrew, ja etwa sechs Jahre.
A: Ja, damals hast du mich ja ein gutes Jahr lang beim Cross-Skating betreut und mir den Zündfunken für diesen Sport gegeben. Du hast mich sportlich sehr viel weiter gebracht, als ich es als Trainer allein geschafft hätte. Es hat sich aber viel getan seit 2010, der Sport ist nochmals weiter gekommen. Denkst du, auch in sportlicher Hinsicht?
F: (zögert): Ja und nein, es ist viel geschehen, wenn man so will, aber leider auch auch oft viel Wind um fast nichts verursacht, besonders um Neuprodukte. Der Sport hätte weiter voran kommen können in dieser Zeit. Die Ausbildung verläuft schleppend und die Produktentwicklung lief vor knapp zwei Jahren vorübergehend wieder etwas an, aber stockt inzwischen schon wieder. Vieles dreht sich im Kreis. Werbekarussells und Selbstdarstellungsdrang lassen kaum noch eine nach vorn gerichtete Entwicklung mehr zu, wie das bis in die 90er Jahre teilweise noch möglich war, wenn junge Sportarten bekannt wurden, die ähnlich großes Entwicklungspotenzial hatten. Mir kommt es vor, als soll heute ein Sport, den es schon eine Weile gibt, als etwas ganz Neues verkauft werden.
A: In den 90ern hatten wir noch geburtenstärkere Jahrgänge und solide Vereine, die noch nicht durch Fitness-Trends aufgeweicht waren. Das ist aber international ähnlich, nur war eben besonders in Deutschland das Vereinsfundament besonders solide.
F: Dazu kommt, dass heute leider angenommen wird, es sei nur ein „Vermarktungsproblem“, das ist es aber nicht. Es ist ein Kompetenzproblem. Die Branche wirkt wie eine mittelmäßige Website, die mit aufdringlicher Werbung überflutet ist, satt mit Informationen zu punkten. Man klickt schnell weiter, wenn man merkt, dass man an eine Luftnummer geraten ist. Das macht es Interessen für unseren Sport schwer, an seriöse Informationen zu gelangen und wenn de rRuf einmal ruiniert ist, kann es schnell bergab gehen. Ich warne ausdrücklich davor, dass das passieren kann. Es schreien zu viele ahnungslose Anfänger vor Begeisterung den ganzen Werbemüll heraus, der eigentlich zum Unseriösen gehört, was man über den Sport verbreiten kann.
A: … weil sich die Leute nicht mehr fundiert genug mit dem Sport beschäftigen, bevor sie ihn so zwanghaft öffentlich vertreten. Und genau das fällt mir bei dir auf, du willst es nicht nur genau wissen, du willst es das dann auch so exakt wie möglich weiter vermitteln, auch wenn es mehr Zeit kostet.
F: Ja, schon immer, deswegen haben wir beide 2008 ja auch zusammen unsere gemeinsamen Stilübungen bis zum Abwinken durchexerziert. Absolute Basics, obwohl du schon einmal im Rudern fast auf Profiniveau trainiert hast.
A: Die Übungen waren erfolgreich, wie ich immer noch bestätigen kann. Das war der absolut richtige Weg. Ich beherrsche das alles heute noch und es hatte sogar Auswirkungen auf meine weitere Arbeit.
F: Wirklich? In wie fern?
A: Deine statisch-dynamisch Methode, die du auf das Cross-Skating übertragen hast. Sie funktioniert auch in der Leichtathletik, natürlich beim Schwimmen, wofür du sie ja erfunden hast und sogar beim Skilanglauf.
F: Ja, dass sie bei der Leichtathletik funktioniert, habe ich nie bezweifelt, aber auch beim Rudern?
A: Ja, richtig beim Rudern auch (nachgetragene Anmerkung: Ich wurde nach meiner aktiven Laufbahn als Ruderer als Disziplintrainer für Bewegungsanalysen in verschiedenen Ausdauersportarten aktiv). Aber zurück zum Thema, du hast einen handfesten sportlichen Hintergrund als Leistungssportler.
F: Ich würde eher sagen „leistungsorientierter Freizeitsportler“, ich habe als Sportler keine besondere Veranlagung für Spitzenleistungen.
A: Es hat kaum Sinn, dir in diesem Punkt zu widersprechen, aber ich weiß, dass du etwa 20 Triathlonwettkämpfe gewonnen hast, wenn ich richtig gezählt habe.
F (grinst): Nein, das stimmt nicht…es waren höchstens 10 oder 11, ohne Mannschaftswettkämpfe, da habe ich keinen Überblick. Ich habe noch ein paar andere Ausdauerwettkämpfe gewonnen, daher kommt vielleicht das Gerücht der 20 ersten Plätze. Aber noch häufiger war ich Zweiter, meine Lieblingsplatzierung übrigens.
A: Du hast auf alle Fälle sportlich einiges bewegt und bist wahrscheinlich immer noch genauso fit wie damals.
F: Genauso fit, glaube ich nicht, aber sagen wir „anders fit“.
A: Wie ich erfahren habe, trainierst du recht schnell mit den Cross-Skates, oft schneller als 20 km/h.
F: Nein, gar nicht oft, ich rolle auch gern einmal mit 10 bis 12 km/h durch die Gegend. Die schnellen Sachen sind nur ganz gezielte Einheiten.
A: Keine Ausreden, ich weiß, dass deine Tempoeinheiten sehr speziell sind und manchmal schneller als 2:30 pro Kilometer. Ich rolle ja selbst erst wieder regelmäßig seit ich im März zurück in Deutschland bin. Aber zurück zu deinem sportlichen Vorleben, kannst du mir ein paar Bestzeiten vom Triathlon nennen? Das möchte ich gern genau wissen, weil ich selbst ein paar Triathlons gemacht habe.
F: Ja, aber es sind nur Zahlen mit mäßiger Aussagekraft. Es ist auch eine Weile her, … also die Langdistanz in 9 Stunden 16 oder 19 Minuten, ich bin kein Zahlenfetischist. Bei heutigen Massenveranstaltungen müsste man aber auf der Radstrecke nochmal etwa 25 Minuten abziehen, weil inzwischen mehr als fünfmal dichter gefahren wird und ich schon von leichtem Windschatten erheblich mehr profitiere als andere. Aber das wäre mir inzwischen in diesen Rad-Pulks viel zu gefährlich. Bei meiner Bestzeit damals bin ich unterwegs auf der 180 km-Radstrecke nur vier Radfahrern begegnet, das war noch echter Einzelwettkampf, „Lutschen“ war da unmöglich, ganz im Sinne der Erfinder.
A: Und welche Distanz war deine liebste?
F: Es ist komisch, aber das waren die Mitteldistanz und der Sprint. Einmal konnte ich die 20 km am Ende einer Mitteldistanz in einer Stunde 18 Minuten laufen und war nach 4 Stunden und 10 Minuten im Ziel (Erläuterung: 2/80/20 km). Und beim Sprint (Erläuterung: 0,75/20/5 km) kann man so richtig schön Vollgas geben, ich war einmal nach 59 Minuten im Ziel, auf exakt vermessener Strecke, das ist ja immer so ein Problem. Ich habe nur Bestzeiten notiert, wenn ich auch wusste, dass die Distanz exakt stimmte. Das war nur selten der Fall. Ich weiß nicht, warum mich die Olympische Distanz (Erläuterung: 1,5/40/10 km) nicht so begeistert hat, obwohl dort das Tempo fast so schnell ist wie beim Sprint. Meine Bestzeit war 2 Stunden und eine Minute, aber ich denke, speziell auf dieser Distanz waren die Teilnehmer etwas verbissener und das fand ich etwas nervtötend.
A: Und sonst? Hast du auch Wettkämpfe in den Einzeldisziplinen gemacht?
F: Natürlich, außer den zehn bis zwölf Triathlons jedes Jahr, etwa ebenso viele Laufwettkämpfe und vielleicht noch zwei Schwimmwettkämpfe. Auch Monutainbike-Rennen, Duathlon (Erläuterung: Laufen/Radfahren/Laufen) und „Swim and Run“. Die Startgelder wurden mir damals bezahlt, die heutigen könnte ich mir gar nicht mehr leisten.
A: Also warst du Semi-Profi?
F: Nein, das war ich sicher nicht, aber als Semi-Profis würden sich heute, im Zeitalter der Selbstdarstellung, einige gern bezeichnen, deren Sponsoren wenigstens ihre Startgelder bezahlen. Aber damals hieß das einfach „Vereinsarbeit“. Vereine bekamen für ihre besseren Sportler Fördergelder, die sie für deren Unterstützung einsetzen könnten. Bei mir war das dann die Startgeldübernahme für Meisterschaftswettkämpfe oder bei guten Ergebnissen.
A: Profi bist du dann trotzdem noch geworden. Du arbeitest seit 1990 als professioneller Trainer, wie konnte da noch Zeit für das Training bleiben?
F: Nein, erst etwas später wurde mein Trainer-Nebenjob zum Hauptberuf, ich musste erst noch in diversen Vereinen, in Fitness-Studios und Trainingslagern mehr Berufspraxis sammeln, bevor ich als Trainer arbeiten wollte. Man kann sich nicht einfach „Trainer“ nennen, ohne lange praktische Erfahrung und eigenen sportlichen Background. Es ist eine Frage der Berufsehre, ein ethisch-moralischer Anspruch, den ich erfüllen wollte. Da ich Aktiv-Trainer bin, betreue ich meine Klienten beim Training immer, indem ich das Training selbst mitmache. Und weil ich auch Profis betreue, muss ich mich schon deswegen fit halten, um dabei halbwegs mitzuhalten und ich tute es auch wegen meiner Gesundheit. Ich würde schnell krank werden, wenn ich nicht regelmäßig trainieren würde. Da kommen ungesundes Essen, Rauchen oder Saufen natürlich auch nicht in Frage. Andere halten eine ungesunde Lebensweise viele Jahre durch, Dank ihrer viel solideren Konstitution, die sie damit natürlich verheizen. Sehr viel trainiert habe ich aber nie, denn zu viel macht ja auch krank. Meine Trainingspläne sind immer sehr zeitsparend. Auch die ganz langen Wettkämpfe habe ich mit einem Aufwand von nur etwa 12 Stunden Training in der Woche vorbereitet.
A: Legendär zeiteffizient, ich habe dich in dieser Zeit vor fast 20 Jahren kennengelernt und du hast mir sofort meine Trainingspläne gekürzt. Mein Trainer war entsetzt, aber dann habe ich es in Oxford fast ins „Boat Race“ geschafft und hatte gleichzeitig erheblich mehr Zeit für’s Studium und für andere Dinge. Welche Trainingsprojekte hast du betreut und welche Bestzeiten sind dabei heraus gesprungen?
F: Ach, das waren Projekte, die ich, mangels Freiwilliger, häufig selbst durchführen musste. Sportverbände sind ja sehr konservativ eingestellt und sind auch Vetternwirtschaft nicht abgeneigt, die ich total ablehne. Vor drei Jahren Jahr habe ich für 4 Monate ein kurzes, aber regelmäßiges Lauftraining begonnen. 2 bis 3 mal insgesamt nur 18 bis 20 km Laufen in der Woche. Dann bin ich 5 km in 18:53 gelaufen, mit immerhin rund 16 % mehr Körpergewicht als zu meinen besten Laufzeiten. 16 % schwerer und mit gut dem doppelten Alter und einem Viertel des damaligen Lauftrainings nur 10 % langsamer als früher zu sein, das passt schon. Mit 39 bin ich die 3,8 km im Freiwasser in 52 Minuten geschwommen und habe dafür auch nur 4 Monate etwas intensiver trainiert, im Schnitt 4 mal eine Stunde die Woche – das ist etwa das Minimum für 10 bis 12-jährige Schwimmer die auf Landesebene schwimmen. Davor habe ich 5 Jahre lang sogar nur einmal die Woche Schwimmen trainiert. Aber davor, als aktiver Triathlet, natürlich etwas häufiger. Beim Cross-Skating kann man eine sehr gute Formzuspitzung erreichen. Faszinierend finde ich immer wieder, dass es beim Cross-Skating praktisch keine Überlastungserscheinungen oder Übertraining gibt, wenn man es richtig betreibt. Besonders durch gezieltes Intervall-Training, kann man deutliche Akzente im Cross-Skating-Training setzen, aber damit beschäftigt sich ja noch keiner so richtig.
A: Doch du!
F: Ja, okay, ich schon. Ich meinte mehr diejenigen die sich zwar Trainer nennen, aber eigentlich nur Übungsgruppen beaufsichtigen, statt sich langfristig mit einzelnen Trainingsprozessen zu beschäftigen. Da fehlt es auch oft völlig an sportlichen Hintergrund. Irgendwelche Lebensläufe als Sportler sind oft gar nicht nachweisbar. Sie reizt das schnelle Geld von Anfängern mehr als eine verantwortungsvolle Langzeitbetreuung. Das wäre aber notwendig um den Sport langfristig am Leben zu erhalten. Hier beim einen Kurs Geld schnell mal abgreifen, dort einen schlauen Spruch in einem Forum loslassen – das kann es nicht sein. Trainerengagement erfordert auch sportwissenschaftliches Arbeiten auf einem gewissen Niveau.
A: Das macht Arbeit und bringt natürlich nicht so viel von diesem schnellen Geld, ist doch logisch. Aber eine Langzeitbetreuung muss der Trainer auch leisten können, das kann nicht jeder, der sich heute Trainer nennt. Jetzt aber zu einer Frage, für die sich Sportler interessieren dürften. Welche Leistungsgrenzen siehst du im Cross-Skating Sport? Welche absoluten Höchstleistungen hältst du in ferner Zukunft für möglich?
F: Auf 5 km könnten eines Tages vielleicht die 10 Minuten geknackt werden, über 10 km sehe ich die Grenze in Skilanglauf-Nähe bei etwa 21 Minuten. Im Halbmarathon könnte eine 45-Minuten-Zeit möglich werden und im Marathon sehe ich 1 Stunde 35 als absolutes Limit, das Leistungsvermögen von Profisportlern vorausgesetzt und natürlich nur mit Luftbereifung, keine Plastik-Rollen.
A: Und die Ultramarathon-Strecken?
F: Die 60 km etwa in 2 Stunden und 30 Minuten und die 100 km möglicherweise in 4 Stunden 20. Vielleicht gehen die Ultra-Distanzen sogar noch schneller.
A: Das ist aber sehr weit entfernt von den heutigen Zeiten.
F: Natürlich, wir haben keine Profi-Szene und die derzeitigen Zeiten, an denen wir uns orientieren, wurden oft von „alten Männern“ aufgestellt. Nimm für berufstätige Amateure ruhig eine Zeit an, die 15 % über diesen möglichen Profi-Zeiten liegt. Das wäre das Limit, das noch „vernünftig“ erreichbar wäre. Das könnten ehrgeizige Cross-Skater sicher bald schaffen.
A: Und die Zeiten für Frauen?
F: Rechne noch einmal rund 13 % dazu. Was rechnest du jetzt?
A: …also wenn eine Frau den Marathon in 2 Stunden und 3 Minuten und ein Mann in 1 Stunden 49 Minuten schafft, wäre das eine absolute Topleistung für Hobbysportler?
F: Definitiv! Aber nur ohne Profi-Hintergrund, was Skilangläufer ausschließt, die im Jahr nach ihrem sportlichen Rücktritt als Cross-Skater Bestzeiten versuchen würden. Und alles natürlich auf bestzeitentauglichen Strecken, aber die sind selten. Ich persönlich hoffe, dass es nie Profis im Cross-Skating geben wird – keine Preisgelder, keine Profis, kein Doping! Oder zumindest weniger Doping. Ohne Preisgelder wäre der Sport, für Profi-Sportler uninteressant. Man darf aber auch nicht allein die möglichen Bestzeiten betrachten, die schafft man, wenn man sie unbedingt vorweisen möchte, relativ leicht unter irregulären Bedingungen, wie durch Verwendung von PU-Rädern, Fahren in der Gruppe oder wenn Frauen sich männlichen Pacemaker anschließen. Wenn man aber erst einmal regulär die Grenzen ausgelotet hat, kann man aber auch das Training für Breiten- und Gesundheitssportler noch systematischer steuern.
A: Das klingt vielversprechend, jedenfalls will ich in diesem Jahr wieder unter 30 Minuten auf 10 km kommen, Welche Chancen gibst du mir?*
F: Das schaffst du schon. Du warst ja schon in diesem Bereich und das nur mit Technikübungen und regelmäßigem Training.
A: Ja, dreimal die Woche, jetzt seit einigen Monaten wieder.
F: Andrew, du bist sechs Jahre Jünger als ich, das geht schneller als du denkst, du warst im Rudern fast Weltspitze, da bleibt schon etwas hängen.
A: Ich sehe, du tüftelst immer daran auch aus Otto-Normal-Cross-Skatern das Optimale heraus zu holen. Ist das nicht manchmal etwas zu zahlen- oder zeitenorientiert?
F: Ich persönlich würde auf Zahlen keinen Wert legen, aber wir messen doch die Welt mit Zahlen. Jeder weiß wie viele PS sein Auto hat, aber wenn es darum geht den eigenen Körper zu messen, kneifen manche. Viele haben aber auch Spaß daran. Es ist keine Zwangshandlung zu messen, aber wenn man wissen will, wo man steht und weiter kommen möchten, ist messen notwendig. Jedenfalls für die meisten von uns. Du selbst willst ja die 10 km wieder unter 30 Minuten schaffen, stimmt doch?
A: Stimmt in meinem Fall absolut, aber ich war auch Leistungssportler, da denkt man viel entspannter über messbare Ziele. Manchen Nicht-Sportlern erscheint das vielleicht verbissen oder pedantisch, wenn man den Sport mit Zahlen misst.
F: Das ist es auch, wenn man es ständig tut. Wenn ich Testaufträge habe und Produkte teste, führe ich Protokoll über jede Fahrt. Dabei halte ich viel mehr Zahlen und Messwerte fest, als in meinem eigenen Training. Das ist dann mein professioneller Auftrag. Aber oft bin ich privat nur ganz grob nach der Uhrzeit unterwegs, etwa eine Stunden auf einer bestimmten Landschaftsrunde, einfach nach Gefühl ohne jede Messung. Ich trainiere auch die meisten Trainingseinheiten ohne den Puls zu messen. Die heutige Telemetrie lässt ja vieles zu, man darf sich aber nicht zum Sklaven der Maschinen machen und ich selbst lasse gar nicht zu, dass ich mich primär an Messwerten orientiere. Messungen sind immer wieder einmal zur Überprüfung notwendig, dann laufen die Uhr und der Tacho mit, damit ich sehe, was das Training gebracht hat. Auch die wenigen notwendigen Spezial-Einheiten richten sich oft nach Messwerten. Beim Cross-Skating kann man aber etwas subjektiver trainieren als in vielen anderen Ausdauer-Sportarten, aber bestimmte Messungen zur Leistungs- oder Stil-Überprüfung sollten schon sein, sonst dümpelt man etwas ziellos durch dem Raum.
A: Sollte das jeder tun?
F: Ja, ich denke, das gilt sogar für Senioren, besonders dann sollte man seinen Ist-Zustand kennen, damit man seinen natürlichen Leistungsverlust berücksichtigen und gezielter aufhalten kann. Du weißt das als Physiologe sicher noch besser als ich, das ganze Gewäsch, dass man, wenn man in die Jahre kommt, immer fetter werden darf und auch der Blutdruck steigen darf, das ist doch zu 90 % ein Zugeständnis an die Bequemlichkeit der inzwischen vernachlässigten Körper der älteren Leute. Ärzte resignieren praktisch davor. Wer als Arzt vom Patienten Disziplin oder sogar Verzicht fordert, verliert sie oft als zahlende Kunden. Heute muss doch alles Wellness sein oder in Tablettenform, nach dem Motto „hilf mir, aber tu‘ mir nicht weh“. Messen der sportlichen Leistung ist alles andere als ein Spaßkiller. Wer das konsequent durchhält, bekommt dadurch sogar eine moralische Belohnung.
A: Da gebe ich dir Recht. Also gut, bis Silvester habe ich die 30 Minuten geknackt und heute in einem Jahr bin ich wieder auf 9 % Körperfett runter.
F: Ich nehm‘ dich beim Wort. Und wir trainieren in diesem Jahr mindestens 100 km zusammen!
A: Was ist mit dem Spaß?
F: Ich weiß, das ist eine rhetorische Frage. Doch Leuten wie uns braucht man sie gar nicht zu stellen, es macht uns natürlich Spaß messbare Grenzen zu verschieben und womöglich sogar mit Bestzeiten belohnt zu werden. Die Frage kommt aber oft von Leuten, die weniger Bezug zur sportlichen Leitung haben oder gar keinen sportlichen Background. Gerade dann sollte man sich durch Messungen objektiv davon überzeugen, dass das Training etwas bringt. Dann erhält man für seine subjektive, eher labilere, Sichtwiese auch handfeste Argumente, warum das Training sinnvoll ist.
A: Und wer nur aus Spaß trainieren will?
F (lacht): Ich weiß, „ist ja nur Spaß“, „wir nehmen das nicht so ernst“, „wir wollen nur unseren Spaß“. Das sind verbreitete Gemeinplätze und – sorry – oft faule, vorweggenommene Ausreden für die eigene Unzulänglichkeit, praktisch die Option zum Versagen. Natürlich soll es Spaß machen, aber wer Cross-Skating schon auffällig vordergründig „nur aus Spaß“ macht, räumt schon ein, nicht viel leisten zu wollen oder zu können und unterstellt oft demonstrativ mit der ICH will nur Spaß-Einstellung, dass andere keinen Spaß daran haben, die weniger bequem mit sich umgehen. Die unsportlicheren haben den Sport angeblich am besten verstanden. Das ist dann andere als entspannt und liberal, eher verkrampft und intolerant und wirkt oft wie eine verzweifelte Ausrede. Das erinnert mich an Leute „lustige Leute“ die vorgeben Alkohol trinken, weil sie eben so lustige Leute sind, aber in Wirklichkeit Ursache und Wirkung verwechseln. Wer das nicht tut ist in ihren Augen ein unlustiger Typ. Beim Cross-Skating kann man für höhere Leistungsfähigkeit mit entspannterem Training belohnt werden und das ist dann lustig! Wer es leistungsmäßig drauf hat und dann im Training etwas Tempo rausnimmt, der ist entspannt. Wer aber nur noch „ist ja nur Spaß“ hecheln kann, kommt nicht so glaubhaft rüber.
A: Man hört das Argument Spaß aber auch häufig als Motivation für Einsteigern.
F: Ja, natürlich, Spaß motiviert, aber was schauen die Leute im Fernsehen? Keine Volksläufe, kein 50plus-Wochenend-Kicken, das gibt’s auch gar nicht im Fernsehen. Nein, Spitzensport zieht die Massen an. Die Leute laufen Marathon, weil sie an der gleichen Startlinie starten dürfen, wie die Profis, sie wollen dabei sein, das gleiche tun und so dazugehören. Das macht ihnen Spaß, ohne zu unterstellen, dass andere Dinge keinen Spaß machen. Sich die Birne mich Schnaps zudröhnen, sich bekiffen, sich überfressen, in der Fankurve Pyros abbrennen usw., kann auch Spaß machen, ist aber unsportlich. Bleiben wir lieber beim Sport und da sind es beim Ausdauer-Sport die Faktoren Zeit und Strecke die Spaß machen. Auch Veranstaltungen sind erheblich besser, wenn sie professionell und perfekt ablaufen satt, nur „spaßig“. An einem professionellem Ganzen teilzuhaben oder an weniger professionellen, aber nachvollziehbaren Wettkämpfen teilzunehmen, das ist eben sportlicher. Man weiß dann, dass man für ein 15-km-Rennen bezahlt und nicht für ein „15-km-ist ja nur Spaß-Rennen“. „Herr Doktor ist werde einfach nicht fitter, aber es ist ja alles nur Spaß…oder doch nicht?“
A (nachdem ich mich ausgelacht habe, frage ich weiter): Ja, dann gibt es ja auch noch das Thema Spielregeln, die angeblich Spaßbremsen sein sollen. Wie siehst du das?
F: Das weißt du genau. Aber es stimmt schon, beim Fußball machen rote keinen Spaß, auch rote Ampeln auf der Straße machen keinen Spaß oder Regeln beim Schwarzer Peter spielen und auch Grundrechte, alles Blödsinn oder? Das betrifft aber nur die, die eigentlich bescheißen wollen, sich also zu ihrem Vorteil unfair verhalten wollen. Spaß für der Rest, also die Masse gibt es nur, wenn es fair läuft, also auch konsequent nach Regeln.
A (Schulterzucken): Und wer macht die?
F: Ja, wer macht die? Zivilisierte Menschen pflegen Spielregeln, damit es den meisten besser geht und nicht diejenigen wenigen, die sich Rechte herausnehmen über andere bestimmen. Das betrifft übrigens auch einige Veranstalter die zunächst lautstark jegliche Regeln abgelehnt haben, damit sie im Kleingedruckten ihre eigenen den Teilnehmern aufdrücken konnten.
A: Gesellschaftsphilosophie.
F: Nenne es wie du willst. Gebietsschutz von mir aus, Willkür, keine Ahnung. Von Insidern habe ich dann manchmal erfahren, dass es einigen darum ging „meine“ Regeln abzulehnen, also die Regeln, die wir gemeinsam im Arbeitskreis erarbeitet haben und die sehr sinnvoll erscheinen. Ich erinnere mich noch, dass ich beim ersten Treffen des Arbeitskreises fast eine halbe Stunde nur Vorschläge gesammelt haben, ohne selbst etwas beizutragen und damit warnen auch schon meine angedachten Vorschläge auf dem Tisch, aber eingebracht von den Anderen. Mein Beitrag zum ersten Regelwerk 2005 betrugt ganze null Prozent, ich habe nur gesammelt und dann haben wir es diskutiert und zusammengefasst. Später haben wir dann daran gefeilt und daran war ich dann beteiligt. Keine Regeln zu haben ist entwicklungshemmend für eine Sportart und bremst den Sport aus, es kann regelrecht zum Stillstand kommen, wenn der Sport nicht definiert wird. Jeder in einer Sportart kann Förderer sein oder eben Bremser. Und einfach zu unterstellen es gäbe „meine Regeln“ die mancher, der mir ein Bein stellen will, vorgeblich „aus Prinzip“ ablehnt, bedeutet paranoisch auf demokratische Vereinbarungen zu reagieren. Da bedauert vielleicht auch mancher auf meine damaligen Einladungen zum Mitmachen nicht reagiert zu haben oder sieht sein gefaketes „Pionier-Image“ in der Szene untergraben, weil da eine Gruppe schon lange vor seiner Zeit über Regelwerke diskutiert hat.
A: Sind das Lobbyisten?
F: Ja, teilweise, aber auch wirklich etwas paranoide Spinner. Die Lobbyisten braucht man ja teilweise als Sponsoren, was auch sehr konstruktiv sein kann, so lange die Einflussnahme nicht zu unsportlich wird. Einflussnahme kann ja im positiven Sinne auch Entwicklung sein, aber das sollen möglichst viele beurteilen und nicht nur ein Produkthersteller oder ein Monopolist oder eben wer im Internet am meisten an Google zahlt. Na, da wird aktuell etwas aufgeräumt. Wenn das aber nicht hilft, sieht es übel für den Sport aus. Zu wenige wollen bestimmen, was andere in dem Sport tun sollen und die anderen stimmen sich nicht ab.
A: Also würde eine „Volksabstimmung“ über die Entwicklung des Sports helfen.
F: Ja, das auch, aber vor allem eine Abstimmung der Engagierten und Kompetenten.
A: Da ist ja oft Auslegungssache, aber du hast ja schon früh kompetente Leute der Szene um dich versammelt, um zum Beispiel die Modelle der Regelwerke weiterzuentwickeln.
F: Ja, mit stark wechselnder Besetzung, aber die jährlichen Treffen sind für jeden offen und ich muss sagen, jeder der Teilnehmer hat bisher Ideen zu den Regelwerken beigesteuert.
A: Die Regelwerke wurden danach auch nachgeahmt.
F: Ja. Komischerweise eben von den Leuten, die nicht einen Satz zur Entwicklung beigetragen haben. Für mich wäre zwar vorstellbar, dass jemand der genau anderer Meinung ist, sich abtrennt und eine Gegenbewegung gründet, aber die Treffen waren immer sehr konstruktiv, auch bei Meinungsverschiedenheiten. Da hat niemand aus dem Arbeitskreis seine Richtung geändert. Die Quasi-Konkurrenz-Regelwerke stammen vom Leuten, die mit wenig Aufwand einfach etwas bestimmen wollen. Und wer „qualifiziert“ dagegen wäre, würde sich anders nennen, so ähnlich wie „Widerstandsbewegung gegen XYZ“, aber nicht versuchen unter gleicher Flagge zu fahren, was die Nachahmer zu tun versuchen. Also Fälscher, Nachahmer und Blender. Es genügt schon sich anzuschauen, wer heute unter dem Begriff „Cross-Skating“ so tut als hätte sie/er es schon immer so genannt. Das haben nämlich genau die getan, die es lange abgelehnt hatten den griffigen und neutralen Begriff Cross-Skating für unseren Sport zu benutzen.
A: Die einen entwickeln und die anderen kopieren oder wollten billig auf dem fahrenden Zug mitreisen. Ich kenne auch aus anderen Brachen, heute im Zeitalter des Wulffens kippt die allgemeine Moral in diesem Bereich spürbar ab, aber zum Glück nicht bei allen. Leider wird durch Nachahmungsversuche „unter gleicher Flagge“ die Glaubwürdigkeit einer ganzen Branche in Mitleidenschaft gezogen. Die normalen Leute wissen dann nicht mehr, wem sie glauben sollen.
F: Ja, das kann passieren, aber ich bekomme ja massive fachliche und moralische Unterstützung von Fachleuten mit großer Glaubwürdigkeit. Ich denke, dass das die Sportler merken und sich für die glaubhaften Infoquellen entscheiden. Danke, übrigens, Andrew, dass du jetzt wieder einmal für das Magazin schreibst.
A: Bitte, aber wenn dann kommt auch nur dieses Magazin für meine Beiträge in Frage. Auch keine anderen Foren oder dergleichen. Und schon gar nicht würde ich den Werbekasper für irgendwelche Interessen spielen, so wie das auch immer mehr Akademiker und Promovierte tun. Ich will nur den Sport vertreten und nach vorne bringen.
F: Auch dafür Danke!
A: Damit haben wir den Kreis thematisch geschlossen, ich hoffe, dass viele Leser den Sport mit dieser Einstellung unterstützen und danke dir für das Interview.
F: Bitte und jederzeit gerne wieder.
A.: Das verspreche ich dir.
* 4 Wochen nach dem Interview konnte ich 10 km im Training in einer mittleren 29er-Zeit absolvieren
Das Interview wurde von mir (Andrew Jones) im Mai 2016 durchgeführt.